Ein Unglück kommt selten allein!

29.05.2019, Fahrdorf - Maassholm

Es ist Mittwoch vor Himmelfahrt und vor uns liegen sechs Tage Segeln. Wir haben Freitag sowie Montag und Dienstag Urlaub genommen – top Voraussetzungen für gute Laune!

In Fahrdorf angekommen, machen wir uns sogleich an das Klarieren zum ablegen. Unserer Freunde aus Fahrdorf kommen später nach. Unser Jüngster kann es dann auch kaum abwarten, seine Spielkameradin heute Abend widerzusehen.

Wir verlassen den schönen Hafen des FSV mit Wehmut, denn das Ziel unserer Reise ist Marina Minde, von wo aus wir in wenigen Wochen in den Sommerurlaub starten. Wir motoren bis zur Lindaunisbrücke. Ab dort segeln wir mit der Sonne im Rücken und mit achterlichem Wind bis zur Brücke bei Kappeln – traumhaft! Die Schlei ist  wunderschön!

Eigentlich wollen wir im Stadthafen von Kappeln festmachen. Der ist jedoch wegen der dort stattfindenden Heringstage rappelvoll, so dass wir uns gemeinsam in Maasholm einfinden. Auf Grund des nasskühlen sowie windigen Wetters legen wir dort an Himmelfahrt einen Hafentag ein.

31.05.2019, Maasholm - Sonderburg

Nach einem Tag, den wir überwiegend unter Deck verbracht haben, zieht es uns alle weiter. Wir legen gegen halb neun ab und setzen noch vor Verlassen der Hafeneinfahrt die Segel. Der westliche Wind beschert uns tolle Segelbedingungen und erst kurz vor Sonderburg starten wir den Motor zum Einlaufen in den Sportboothafen. Unsere Freunde mit ihrer X-382 sind deutlich später als wir in Maasholm losgefahren, kommen aber nur wenige Minute später als wir im Sportboothafen Sonderburg an – faszinierend!

In Sonderburg treffen wir Kay von Eitzen sowie zahlreiche Bianca 27-Eigner, die sich hier zum jährlichen Sommertreffen eingefunden haben. Wir freuen uns sehr Kay wiederzusehen. Er hat die gleiche Leidenschaft für klassische Boote, zu denen auch unsere Hanna zählt. Er organisiert schon seit Jahren Sommer- sowie Wintertreffen für Bianca 27-Liebhaber, zu denen wir auch einmal gehörten. Kay schafft es durch seine sympathische Art immer wieder neue Bianca 27-Eigener mit „ins Boot“ zu holen. Bei diesem Treffen sind auch viele junge Segler dabei – eine sehr erfreuliche Entwicklung!

01.06.2019, Sonderburg - Alssund

Am nächsten Tag trennen sich unsere Wege. Unsere Freunde müssen zurück nach Fahrdorf während wir uns auf die Suche nach einem schönen Ankerplatz machen. Genau ab hier nimmt das Unglück seinen Lauf!

Um einmal etwas Neues zu probieren, wollen wir die kleine Bucht „Vemmingbund“, die westlich vom Sportboothafen von Sonderburg liegt, erkunden. Wir motoren an das westliche Ende der Bucht und nähern uns dem Ufer wegen etwaiger Untiefen im spitzen Winkel. Auf unserer Navoinics-App stehen über 3 Meter Wassertiefe – also Alles gut! Doch plötzlich zeigt das Echolot nur noch 1 m, dann 0,7 m und 0,5 m. Schnell ändern wir den Kurs weg vom Land. Doch dann gibt es einen lauten Knall und unser Schiff kommt abrupt zum Stehen. Unser Jüngster unter Deck, wird mitsamt seiner Spielsachen nach vorne geschleudert – Nicole fällt über den Traveler und ich kann mich noch abstützen und die erwartungsgemäß harte Landung der Skipperin etwas abfedern.

Wir sind im ersten Moment ziemlich geschockt. Der Aufprall bei ca. 4 Knoten war derart stark, dass es sich fast wie eine Explosion anhörte! Wirklich unfassbar! Mit mulmigem Gefühl gehe ich unter Deck und nehme die Bodenbretter hoch. Wir scheinen jedoch noch einmal Glück gehabt zu haben – kein Wassereinbruch!

Wir schauen uns noch einmal die Karte in der Navionics-App an. Wir vergleichen diese mit einer älteren Version der App auf Nicoles Tablet sowie mit der Seekarte und unserem Plotter: Dort stehen überall 0,7 Meter und nur auf der vor wenigen Wochen aktualisierten Navionics-App auf meinem Smartphone werden an dieser Stelle 3 Meter Wassertiefe ausgewiesen. Hier handelt es sich offenbar um einen Übertragungsfehler – unglaublich!

Der Schock sitzt uns immer noch in den Knochen, als wir Kurs Richtung Alssund nehmen. Dort legen wir uns neben einigen anderen Seglern vor Anker. Den Abend vor Anker genießen wir sehr, wunderschöne Natur, die Sonne scheint und der Wind flaut deutlich ab.

Am nächsten Morgen frühstücken wir in der Plicht und überlegen, welchen Ankerplatz wir heute anlaufen könnten. Später schreibe ich Logbuch und Nicole kommt auf die Idee, die Bilge zu reinigen (da wäre ich nicht drauf gekommen). Allerdings war das unser Glück, denn als Nicole eines der vorderen Bodenbretter hochnimmt, steht dort Wasser! Der Geschmackstest ergib Salzwasser! Wir haben offensichtlich ein Problem! Wir pumpen das Fach leer und ich entdecke ein kleines Rinnsal, unterhalb der Toilettenkonsole. Diese Stelle ist ohne Hilfsmittel nicht einsehbar. Mit dem Smartphone kann ich ein kurzes Video drehen. Und tatsächlich, ich kann die Leckagestelle orten.

Wir können unser Pech kaum fassen. Das Leck ist zwar problemlos beherrschbar aber es führt kein Weg daran vorbei, wir müssen wieder aus dem Wasser!

Wir beginnen mit der Planung und unsere Überlegungen reichen von „die Hanna nach Hause bringen und in die Halle stellen“, bis „irgendwo kurz aus dem Wasser und versuchen, das Leck notdürftig zu reparieren“.

Wir erfahren im Folgenden große Hilfsbereitschaft, u. a. von unseren Freunden aus Fahrdorf, von Bernd Meusel und von Kay von Eitzen.

Ich mache es kurz: Auf Empfehlung motoren wir nach Gelting Mole, wo wir vorrangig behandelt und mit stehendem Mast aus dem Wasser gehoben werden. Unten am Kiel können wir sofort das aufgerissene Laminat erkennen. An der Stelle, wo das Wasser ins Schiffsinnere lief, ist nichts zu sehen – Erklärung dazu später.

Da der Schaden größer ist als erwartet, wird unsere Hanna mit dem Sublift zum Winterlagerplatz verbracht und dort auf einen Lagerbock gestellt. Wir achten daraus, dass unser Schiff leicht nach vorne gekippt steht, damit das Wasser aus der Stelle laufen kann.

Uns wird gesagt, dass wir bei dem Schaden bestimmt zwei Wochen hier liegen würden. Von Laminieren habe ich nicht viel Ahnung. Als Jugendlicher habe ich bei Reparaturarbeiten an meinen Surfbrettern mit Epoxidharz und Glasmatten rumhantiert, mehr aber auch nicht.

Jedenfalls ist unsere Stimmung im Keller. Was kommt jetzt auf uns zu? Wie teuer wird das Ganze, und, sind wir vor Beginn unseres Sommerurlaubs wieder im Wasser?

An dieser Stelle kommen unsere Freude aus Fahrdorf ins Spiel. Björn ist Pragmatiker und ein Experte u. a. in Bezug auf Laminieren. Er hat auch beruflich damit zu tun. Er macht sich abends noch auf den Weg zu uns nach Gelting, um sich den Schaden anzuschauen. Mit Hammer und Meißel arbeitet er die schadhafte Stelle kurzerhand auf, woraufhin noch mehr Wasser herausströmt. Während wir düsteren Gedanken ergeben sind, hören wir Björn sagen: “Ihr könnt Dienstag wieder ins Wasser!“ Wir merken sofort, dass er kein Spaß macht. Für uns ist es völlig unvorstellbar, wie das gehen soll! Um es vorweg zu nehmen: Wir sind Dienstagmittag mit unserer Hanna in Marina Minde!

Uns ist sicher unsere deprimierte Gemütslage anzumerken. Björn nimmt uns mit nach Hause und wir werden kulinarisch versorgt – Anja, tausend Dank für das leckere Chili Con Carne! Unsere nächtliche Herberge ist die X-382 unserer Freunde, ein Raumwunder, gerade im Vergleich zu unserem Schiff.

Am nächsten Tag arbeiten wir die To Do- und Einkaufliste ab, die Björn uns aufgegeben hat. Ein guter Freund von Björn bringt uns netterweise noch Werkzeug vorbei. Er heißt Sönke Matthiesen (Bootsservice Matthiesen - http://sandwater.bplaced.net/boot/) und bietet umfangreiche Dienstleistungen rund um den Bootsservice an. Er ist sehr flexibel und kompetent!

Auf dem Weg zu unserer Hanna nach Gelting, holen wir Bernd Meusel (Delphin 66-Eigner, „Joker“, Baunummer 20) ab. Er ist Bootsbauer durch und durch und ist als Pensionär immer noch in der Ausbildung von Jugendlichen tätig. Seine jahrzehntelangen Erfahrungen haben einen unschätzbaren Wert. Auf die Frage, warum Wasser weiter oben ins Schiffsinnere gelaufen ist, kann er auch sofort die passende Erklärung liefern: Im Bereich des Kiels haftet das Laminat nicht vollständig am Ballst aus Blei, so dass dort Wasser dazwischen laufen kann und weiter oben ins Schiffsinnere laufen kann.

Während ich mich mit Schutzanzug, Staubmaske und Schutzbrille ausgerüstet an das großflächige Abtragen der schadhaften Stelle mach, steht oder kniet Bernd geduldig hinter mir, um korrigierend einzugreifen. Am Rande sei erwähnt, dass das Abschleifen von GFK eine Riesensauerei ist. Trotz Schutzanzug spüre ich an Armen und Beinen sowie am Oberkörper bis zum nächsten Morgen kleine Stecknadeln.

Abends kommt Björn, der beruflich in Hannover zu tun hatte zu uns nach Gelting (er ist mittlerweile 14 Stunden auf den Beinen!). Er macht sich sofort an die Arbeit. Nicole und ich folgen seinen Anweisungen und mischen nach Bedarf Epoxidharz an und schneiden das Glasfasergelege bzw. -gewebe zu. Hier wird nicht lange geschnackt, sondern angepackt! Nach gut 1,5 Stunden ist alles erledigt. Zum Schluss baut Björn noch ein kleines Zelt um die reparierte Stelle und stellt einen Heizlüfter darunter. Auf diese Weise härtet das Epoxidharz schneller aus.

An dieser Stelle danken wir Björn für seinen beispiellosen Einsatz, ohne den dieses Manöver ganz sicher völlig anders abgelaufen wäre. Auch Bernd Meusel, der uns spontan beratend und mit aufmunternden Worten zur Seite stand, danken wir von Herzen!

Die Nacht verbringen wir an Bord unseres Schiffes. Nette Aussicht von der Plicht aus! Wir können sogar Kalkgrund sehen.

Am nächsten Morgen entferne ich das Abreißgewebe, dass in einem spitzen Winkel von ca. 15° abgezogen werden muss. Mit einem Rest Antifouling, den wir netterweise vom Hafen bekommen haben, pinsel ich Stelle noch schnell ein und dann kommt auch schon der Sublift und bringt unsere Hanna zum Hafen, wo sie ins Wasser gelassen wird. Wir steigen an Bord und legen direkt ab – Kurs Marina Minde.

Björns Vater holt uns schließlich hier ab und bringt uns zurück nach Gelting Mole, wo unser Auto steht – vielen Dank dafür!

Unser Fazit: Vertraue beim Navigieren niemals alleine einer App, sondern verwende parallel amtliche Seekarten! Wie praktikabel dies in der Praxis ist, wird sich zeigen, zumal der Salon unseres Schiffes vollständig von unserem Leichtmatrosen in Beschlag genommen wird und an eine Fläche, die frei von Playmobil, Lego oder sonstigem Spielzeug wäre, nicht zu denken ist!

 

 

Ein Gedanke zu „Ein Unglück kommt selten allein!

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